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:: Heinz Erhardt - der für mich größte Humorist unserer Zeit ::
Mit freundlicher Genehmigung von Dr. Wolfgang Näser [naeser@Mailer.Uni-Marburg.DE]
Heinz Erhardt
(1909-1979)
zum Gedächtnis:
Sinniges und Hintersinniges
Der Humor ist eigentlich eine ernste Sache.
Also, wenn ich im Film oder auf
der Leinwand oder auf'm Bildschirm erscheine,
da fragen mich die Menschen:
'Kannst du eigentlich selbst über
dich lachen?' Da sag'ich: JA.
Humor - was ist das eigentlich?
Wir kriegen jetzt genug davon, könnte man sagen. Rund um die Uhr werden
wir bombardiert mit vielem, was sich heutzutage in die Schublade "Comedy"
einordnen läßt, von Otto über Hape Kerkeling,
Ingolf Lück bis Sissy Perlinger; jetzt seien die Deutschen
endlich reif für den Humor, hieß es, als hätte es einen
Ludwig Manfred Lommel, Peter Frankenfeld, Jürgen von
Mangernie gegeben.
Wahrer Humor, wie in Heinz Erhardt verkörpert,
beleidigt nicht. Wahrer Humor ist zutiefst menschlich, versucht, dort zu
helfen, wo, aufgrund unserer Unzulänglichkeit, wir es schwer haben,
mit dem Leben zurechtzukommen. Er hält uns den Spiegel vor, zeigt
uns unsere Schwächen, damit wir - ohne in ein Loch zu fallen - uns
selbst erkennen und vielleicht den Mut finden, uns positiv zu ändern.
In diesem Sinne und mit diesem hohen Ziel ist Humor ein schweres Geschäft,
zehrt an den Kräften, geht "ans Eingemachte". Der Humorist schenkt
sich und seine Kraft den Menschen, denen er Freude macht.
Es war am 20. Februar, im Winter. Das
Thermometer zeigte 11 Grad minus und die Uhr elf Uhr vormittags, als vor
unserem Haus das Hauptwasserrohr platzte. Im Nu war die Straße überschwemmt
und im selben Nu gefroren. Sämtliche benachbarten Kinder beiderlei
Geschlechts ergriffen nicht nur die Gelegenheit, sondern auch die Schlittschuhe,
um mit Hilfe derselben dem Eislauf zu frönen und sich zu tummeln.
Ich selbst konnte leider an diesem fröhlichen
Treiben nicht teilnehmen, weil ich noch gar nicht geboren war. Dieses Ereignis
fand erst gegen Abend statt - und da war die Eisbahn längst gestreut
und unbrauchbar geworden. Ich kam eben schon früh immer zu spät,
und dieses ewige Zuspätkommen hielt an und brachte mir manch Unnannehmlichkeiten.
war es da ein Wunder, daß ich begann, ein wenig dem Schicksal nachzuhelfen,
und Dinge tat, die man eigentlich gar nicht hätte tun dürfen?
Wer so etwas schreibt, ist entweder Philosoph
oder Humorist - auf jeden Fall Individualist.
Ich war eigentlich ... immer ein Einzelgänger.
Ich habe mich immer schwer angeschlossen. Ich spann ... oder spinnte ..
ich spann immer so'n bißchen, ich war immer ... in höheren Sphären.
Dadurch hatte ich auch nie ... Schulfreunde ... Schulfreundinnen auch nicht.
Wer aus seinem Innersten schöpft, ist
oft einsam. Heinz Erhardt, der mit Worten spielte, Sprache komponierte,
hatte musikalische Wurzeln:
Mein Vater war Theaterkapellmeister, und
meine Mutter war sehr musikalisch, und mein Großvater mütterlicherseits
hatte ein Musikgeschäft, hatte (auch) eine Gastspieldirektion und
holte nach Riga eben alle berühmten damaligen Künstler.
So lernt er im Hause der Großeltern
Berühmtheiten kennen wie den Pianisten Arthur RUBINSTEIN
oder den Tenor Enrico CARUSO.
Als ich sechs Jahre alt war - das war
vor ungefähr 30 Jahren -, da war ich ja noch viel jünger und
ich war ein schmucker Bursche, ich kam dann in die Schule und mit sehr
wenig Erfolg absolvierte ich dieselbe, und dann entdeckte ich die Liebe
zur Musik. Ich fing an, Klavier zu spielen - mit beiden Händen, mit
jeder Hand was anderes, und es klang manchmal sogar ganz gut, aber dann
fing ich plötzlich an, Gedichte zu machen, und da wurde ich immer
eingeladen zu Onkels und Tanten und in Vereine, und da mußte ich
immer etwas zum allerbesten geben, da hieß es immer "Heinz, nu mach
nochmal was" und so, so schlitterte ich also in diesen Beruf hinein.
In Riga verbringt er eine fröhliche Jugend, bis die Eltern geschieden werden.
Eltern bestehen in der Regel aus zwei
Personen. Es sollen allerdings auch Fälle bekannt geworden sein, wo
der Vater unbekannt ist. Nun, ich konnte mich nicht beklagen. Ich hatte
so nach und nach drei Väter bekommen und ebensoviele Mütter.
Diese Vielzahl an Eltern ist darauf zurückzuführen, daß
sowohl mein Vater als auch meine Mutter jeweils dreimal den Bund fürs
Leben schlossen. Da nun aber nicht nur sie, sondern auch die Angetrauten
immer wieder heirateten, so besaß ich in den zwanziger Jahren nicht
weniger als einundzwanzig lebende Großelternteile, nämlich:
11 Großväter und 10 Großmütter. Alle Vä- und
Mütter, aber auch deren Eltern kannten sich untereinander, vertrugen
sich glänzend und verwöhnten mich - und das nicht nur zur Weihnachtszeit.
Man reichte mich ständig herum und manchmal reichte es mir.
Schon in Riga Klavier-Humorist geworden, geht
Erhardt nach Berlin. 1935 heiratet er Gilda Zanetti, die Tochter des italienischen
Konsuls in St. Petersburg. Aus der Ehe gehen vier Kinder hervor; seine
Frau unterstützt ihn, wo immer sie kann.
Was wär ein Apfel ohne -Sine,
Was wären Häute ohne Schleim?
Was wär'n die Vita ohne -Mine,
Was wär'n Gedichte ohne Reim?
Was wär das E ohne die -llipse,
Was wär veränder ohne -lich?
Was wär ein Kragen ohne Schlipse,
Und was wär ich bloß ohne Dich?
1941 wird er zum Musikkorps der Marine eingezogen, nach dem Krieg landet er in Hamburg; schon 1945 steht er wieder auf der
Bühne. Heidi KABEL erzählt:
Da lernte ich ihn kennen ; wir - man nannte
es damals tingeln, man konnte fast nirgendwo auftreten, es war so viel
kaputt, und wir konnten eben nur noch da singen und musizieren, wo noch
etwas heil war. Das war in Schleswig-Holstein, und so sind wir mit 'ner
Gruppe losgezogen, haben musiziert und erzählt, und da habe ich Heinz
Erhardt kennengelernt, ganz jung, ganz schmal, mager wie so'n Strich, das
kann man gar nicht mehr fassen, ich hab ihn gar nicht wiedererkannt später.
Das Radio macht Erhardt bekannt: beim NWDR in Hamburg wird er zum Dauergast. Mit seiner wöchentlichen Sendereihe
So was Dummeswird er zum Liebling der Hörer. Seine Komik entspricht, wie es der Sender formuliert, "den Formen der Zeit: keine scharfen Kanten, keine Experimente. Erhardt eckt nicht an." Zwar spielt er bisweilen mit der Prüderie der fünfziger Jahre, doch ist er zu Hause braver Familienvater. Und, wie seine Tochter erzählt: schimpfen - das konnte
er nicht.
Heinz Erhardt -
ja, aber ohne H hinter'm E. Und hinten
mit DT. Es wird immer falsch geschrieben. Mein Ur-Ur-Urgroßvater,
der hatte schon immer Trouble damit.
ein "rastlos Schaffender in Sachen Humor".
Also ich muß ganz ehrlich sagen:
ich arbeite recht schwer daran, denn ich bin nie zufrieden - manchmal sage
ich 'ja, das ist gut', und dann aber, nach einer Woche, nehme ich es mir
wieder vor und lese - 'nein, das muß geändert werden'. Darunter
leidet natürlich sehr mein Verlag, weil ich ihm ständig Änderungen
schicke, und dann muß es wieder umgesetzt werden.
Doch alle 5 Bücher werden Beststeller.
Im Grunde hat er eigentlich nur gearbeitet.
Zum Beispiel, wenn wir zusammengesessen haben oder wenn wir Besuch hatten,
dann war er plötzlich mal eine Weile verschwunden, dann saß
er am Schreibtisch und hat irgendwas notiert oder er ist, auf Tournee
auf der Autobahn, ohne daß er was sagte, auf einen Parkplatz gefahren,
hat angehalten, hat sein Buch rausgeholt, hat was reingeschrieben und ist
dann weitergefahren. Er war immer mit den Gedanken bei seinem Beruf - immer.
(Tochter)
Erhardt findet selten Ruhe, um die Familie
zu genießen: "Vati ist auf Reisen und macht Dummheiten". Als
das Fernsehen die Wohnzimmer erobert, wird er zum Medienstar - so wie auch
Hans-Joachim Kulenkampff und Peter Frankenfeld, die als Show- und Quizmaster
ihre Fans entzücken: die unvergessene Zeit der "Bunten Abende", mit
noch unverfälschtem Live-Gesang und sound-starker Big-Band.
Bei ihm war's halt einfach so, daß
er wirklich die Sprache verblüffend hat nutzen können, also Dinge,
die eigentlich jedem naheliegen, Wortspielereien, die eigentlich jeder
hört und sieht, und nur er war in der Lage, sie besonders zu nutzen,
das war wirklich das Neue und das Besondere - bis heute.
Heinz Erhardt - zu Hause auch im Film und auf der Bühne:
Er war ja ein Profi. Das wurmte ihn schon,
wenn das nicht so saß, wie er's vorhatte. 'Nee, das will ich nochmal
machen.' ... Er wurde eigensinnig ... Da hat er sein Ich verteidigt. 'Ich
empfinde das so, ich kann das besser, und das mach' ich jetzt auch besser.'
(G. Pfitzmann)
und - auch nach dem Urteil seiner Tochter -
Er hat das Leben sehr ernst genommen.
Er hat seine Arbeit sehr ernst genommen, und ... es ist nicht so, daß
er nun ununterbrochen komisch war oder gelacht hat ...
... so etwas wie ein Philosoph:
Die Nacht bedeckt die Dächer,
Und in dem Aschenbecher
Verglimmt die Zigarette.
Es ruh'n fast alle Räder,
Der Tag verging wie jeder
Als Glied in einer Kette.
Wir hören Eulen singen
Und sehnen uns nach Dingen
Die man so gerne hätte.
Der bedächtige Erhardt - wie er sich selbst sah (s.o.) oder, wie es seine Tochter formuliert:
Er war eigentlich 'n bißchen menschenscheu und hat sich gern zurückgezogen. Er war kein so geselliger Mensch
mit Parties feiern und so, das lag ihm überhaupt nicht ...
Erhardt stand immer unter Stress. "Er war
einfach überarbeitet", erzählt Chris HOWLAND,
"manchmal ist er vormittags nach Berlin geflogen, hat irgendetwas da gemacht,
und dann kam er zurück und abends stand er hier auf der Bühne.
(...) und es ist kein Wunder, daß man irgendwann dafür bezahlen
muß. Er hat nie Pause gemacht, er ist nie in Urlaub gefahren, alle
in seiner Familie hatten eigentlich Angst um seine Gesundheit. Er hatte
immer eine nachdenkliche Seite, und diese Seite kam etwas mehr in den Vordergrund."
Wie sie alle rennen und rasen,
Als ob es ihr Leben gilt,
Durch den Wald der Häuser und Straßen
Wie von Hunden gehetztes Wild.
Noch schneller, noch schneller, noch schneller
Dem eigenen Schall hinterher -
Sie könnten's nicht ertragen,
Wenn der andre noch schneller wär.
Nicht so eilig, nur nicht so eilig,
Wenn du dir Zeit läßt, hast du vom Leben mehr.
Langsam, langsam, nur immer schön langsam,
Bei zuviel Vollgas, da ist der Tank bald leer.
Nicht so hastig, nein - nur nicht so hastig,
Denn daß man Zeit spart, das ist ein Selbstbetrug.
Sachte, sachte, nur immer schön sachte,
das bißchen Leben, das vergeht noch schnell genug.
Im Dezember 1971 erleidet Erhardt einen Schlaganfall.
Das muß, wie HOWLAND vermutet, das Schlimmste
in seinem Leben gewesen sein, denn er hat die Sprache verloren, sein Instrument,
konnte nicht mehr reden. "Von diesem Moment an arbeitete er nicht mehr,
kehrte sich nach innen - mit einer Ausnahme: er hat noch einen Film gemacht,
Noch ne Oper. Und er hat mich gebeten, eine kleine Rolle zu übernehmen.
Das war ein sehr emotionaler Moment, denn ich habe meine erste Tournee
mit Heinz gemacht, hier saß ich auf einer Bank mit ihm bei seinem
letzten Film."
Im Februar 1979 arbeiten Howland und Erhardt zu letzten Male miteinander. An der Kamera Erhardt-Sohn Gero. Der Fernsehfilm
Noch ne Oper wird, wie es der NDR formuliert *), Heinz Erhardts persönliches Vermächtnis. "Die Vision eines großen Komponisten, der seine Traumoper entwirft." Unter den Mitwirkenden berühmte Kollegen wie Gert FRÖBE (+), Paul KUHN, Hans-Joachim KULENKAMPFF (+), Helga FEDDERSEN(+),
Karl DALL, und Harald JUHNKE.
Heinz Erhardt kann nicht mehr sprechen, ist nur Zuschauer bei den Proben. Seine Stimme, für die frühere Rundfunkfassung aufgenommen, wird hinzugemischt.
Es ist eine Persiflage, kann man sagen
- mit einem Augenzwinkern, wie man sich vorstellen kann, wenn mein Vater
so eine Oper komponiert und auch das Libretto dazu schreibt, daß
es eine nicht ganz ernstzumende Geschichte ist. G. ERHARDT)
Am 5. Juni 1979 stirbt er, gerade siebzig Jahre alt - doch sein Humor lebt weiter. "Für mich", resümiert
Chris HOWLAND, "war Heinz Erhardt einer der großen Komiker dieses Jahrhunderts, und ich verneige mich vor einem großen Künstler und einem Super-Freund. Machs gut, Heinz."
Beruflich oder so: ich würde nichts anders tun,
ich würde es genau wieder so machen - wie damals.
Meine (1976 begonnene,
sporadisch erweiterte) Themen-Seite soll diesem wunderbaren Menschen ein
Denkmälchen setzen. Der Humorist und Philosoph soll wiedererstehen
im Kostbarsten, das er uns hinterlassen hat: seiner Sprache, die uns in
ihren Bildern und Wortspielereien immer neu erfreut und uns das entlockt,
was wichtiger denn je ist: ein befreiendes, weil ehrliches Lachen.
Marburg, im Februar / Oktober 1999
W. Näser
1. Conférences:
Transkription
einer Schallplatten-Aufnahme, W. NÄSER 2/99
[1] Nachdem ich mich hier versammelt habe,
möchte ich zunächst etwas fallen lassen, und zwar die Bemerkung,
daß es leichter ist, den Mund zu halten als eine Rede, aber es wandelt
mich die Lust an, Ihnen recht herzlich dafür zu danken, daß
Sie sch hier teils nieder-, teils herabgelassen haben, um das gelassen
an sich vorüberziehen zu lassen, was wir hier oben vom Stapel
zu lassen den Abend über die Stirn haben ... wir können
es ja auch lassen, nicht? Aber lassen wir das. Lassen Sie
uns den Abend genießen, Genossen ... nee, halt, das stimmt nicht:
genießen,
Komma, genossen wir doch selten einen so schönen. Und, weil in
einen schönen Abend auch schöne Menschen gehören, dieserhalb
und desterwegen haben wir Sie hierher gebeten ... und nun sitzen Sie hier
rum ... ja, Sie haben's gut, Sie können sich von Ihren Sorgen
absetzen,
und wir hier oben müssen uns einsetzen, damit wir uns durchsetzen
und Sie nicht entsetzen. Das war ein schwerer Satz, nicht? Wiederholense
mal, Müller ...
Ich war in diesem Jahr, das sehen Sie an
meinem Teint, ich war im Süden, ich war in Süd-Lappland: das
ist 'ne billige Gegend, also die Körperpflege kostet da gar nichts,
da braucht man nur Seife; Lappen gibt's da genug. Und Mücken, Mücken
gibt's da, und ich hatte ja 'nen Hund mit, für zwei Personen, und
leider hat er diese Ungezogenheit, der leckt immer, wie ein alter
Kochtopf, darum haben wir den auch Götz genannt ... und ich
möchte Ihnen jetzt - nun nehmen Sie sich mal'n bißchen zusammen,
besonders da - einige meiner selbst eingemachten Werke vortragen, Sie hören
als zweites gleich das erste, und zwar etwas Klaschisses ... etwas Altes,
und zwar ... Ludwig Uhland, der Erfinder der gleichnamigen Straße,
hat ein Gedicht geworfen in seiner Jugend, als er noch lebte, Sie kennen
es. Das geht so:
Urahne, Großmutter, Mutter und Kind
In dumpfer Stube beisammen sind.
Es sind beisammen in dumpfer Stube
Urahne, Großmutter, Mutter und Bube.
Wer ist beisammen? Jetzt wissen wir's schon:
Urahne, Großmutter, Mutter und Sohn.
Der Urahne hört was und sagt: "Herein",
Die dumpfe Stube entflammt und verglimmt
Mit Urhammel, Großbutter, Butter und Zimt.
Fällt Ihnen an meinen Ohren nichts auf? Hier, am linken? Das habe ich nur einmal mit DASH gewaschen.
Ich fahre weg - ich fahre fort, und Sie hören jetzt ebenfalls ein älteres Werk, und zwar ... Johann Wolfgang
von Frankfurt, der hatte recht bekannte Sachen geschrieben, unter anderem auch dieses, das ich Ihnen jetzt vortragen möchte, es heißt: das Pechmariechen.
Zu Ostern in Hersfeld die Mutter spricht:
Bald ist es Zeit für's Festtagsgericht.
Drum geh, meine Tochter, hinab in den Keller
Und füll mit Sauerkraut hier diesen Teller.
O Mutter - jetzt ist die Tochter dran - O Mutter, mir träumte neulich
Von einem Mann, der Mann war abscheulich,
Oh laß uns den Keller vergessen,
Woll'n wir was anderes essen.
Jetzt wieder die Mutter: Mein Kind, mein Kind, ich seh es genau,
Du kommst in die Jahre, wirst langsam Frau,
Siehst überall Männer, die lauern;
Geh, hol von dem Kraut, von dem sauern.
Mariechen tut es, sie steiget hinab,
Hinab in den Keller, der finster wie's Grab,
Sie füllt ihren Teller, den Teller von Blech,
Doch so lang sie auch füllt,
Es kommt kein Mann, so'n Pech.
Darum "Pechmariechen". Man fragte mich schon
des öfteren, wieso ich eigentlich solche Gedichte mache und so ...
es war so, möcht' ich sprechen: als ich das elektrische Licht der
Welt erblickte - das war im Jahr Schalke 09 - meine Eltern waren
2 Stück, mein Vater war sehr reich, der hatte zwei Villen:
einen guten und einen bösen. Er war Klempner: was er morgens klemmte,
verlötete
er abends. Und sein Bruder, der was mein Onkel war, der machte Brillen,
der war Tischler ... ja ja, der hat viel durchgemacht. Also sehen Sie:
Ich lag zu Hause Cognac ... rum,
ich konnte noch nicht laufen; ich hatte
schon Beine, aber laufen konnte ich noch nicht, und es war kalt, es fror
so vor mich hin; nicht nur meine Eltern,
auch der Ofen war ausgegangen,
und plötzlich, so ganz stinkelingpief - instinktiv guck ich da zur Wand:
die öffnet sich - es war kein Neubau - die Wand öffnet sich, und eine Fee
schwebt herein, sie hatte ein faltenreiches Gewand, ein ebensolches
Gesicht, sie klopfte mir auf den Magen und fragte mich: "Na, Kleiner",
fragte sie, "was willst du denn einmal werden?" Und ich sagte, im Hin-
blick auf meine etwas feuchten Windeln: "Och, liebe Tante, ich möcht'
gern Dichter werden."
Sie hören nun ein kleines Werk, "Chor der Müllabfuhr":
Auf, auf und auf!
Laßt uns von Tonne zu Tonne eilen,
Wir wollen dem Müll
Eine Abfuhr erteilen.
Und nun hören Sie etwas Längeres,
obwohl es auch von mir ist, es hundelt - handelt sich hierbei um ... ich
trage mein Haar heute offen ... es ist ... eine Ballade aus dem Jahr Elfzehnhundertsechs
- Elfhundertsechzehn, "Ritter Fips", die geht so ungefähr:
Es stand an seines Schlosses Brüstung
Der Ritter Fips in voller Rüstung.
Da hörte er von unten Krach
Und sprach zu sich: "Ich schau mal nach."
Und lehnte sich in voller Rüstung
Weit über die besagte Brüstung.
Hierbei verlor er alsobald
Zuerst den Helm und dann den Halt,
Wonach, verfolgend stur sein Ziel,
Er pausenlos bis unten fiel.
Und hier verlor er durch sein Streben
Als drittes nun auch noch das Leben,
An dem er ganz besonders hing.
Der Blechschaden war nur gering.
Hören Sie, bevor ich das Weite suche - hoffentlich find' ich's irgendwo - ein kleines Werk, ganz kurz, sechs Zeilen:
Es gibt Gerüchte,
Daß Hülsenfrüchte,
In Mengen genommen,
Nicht gut bekommen.
Das macht ja nichts, ich finde das fein;
Warum soll man nicht auch mal ein Bläh-Boy sein?
Eigentlich war ich heute am Hin ... am Kommen verhindert, und das war so: es war übergestern, vorheute, da saß
ich hier drüben in dem Café, ich bestellte mir zwei Goetheglatzen - nee, zwei Schillerlocken - eigentlich wollte ich 'nen Sturmsack essen - Windbeutel - aber auf dem saß schon einer. Ich sitze, unten sitz' ich, oben eß' ich - oder umgekehrt, mit einmal guck' ich da zur Tür, und was seh ich da? - Gar nichts, die Tür war auf der Seite - stürzt, wie von der Tante Ella gestochen - Tarantella gestochen, ein Vollbart auf mich los, mit 'nem Herrn dran. Der hat so'n Schirm, der Knirps, und nimmt den, haut immer auf meinen Kopf, das machte mich stutzig.
Nachdem ich ein- bis viermal gestutzt hatte, sprach ich zu mir: "Also". "Herr Erhardt", sprach ich - nee: "Heinz", sag ich, Heinz - ich sag ja DU zu mir. "Heinz", sage ich, "was soll das da oben bloß sein?" Und nachher, viel nachherer, da kam ich dahinter: der hatte mich verwechselt! Das gönn' ich dem. [... Beifall]
Ich danke Ihnen für dieses Geräusch und möchte noch ein kleines Werk vortragen, das vielleicht schon drei oder vier Personen kennen, aber das macht so gut wie fast wenig; das Gedicht heißt "Das Gewitter".
Der Mond verbirgt sein bleiches Licht,
Die Sterne am Himmel, sie (p)funkeln nicht,
Die Luft ist sch(e)wül,
Im Herzen wird bang,
Der Uhu krächzt
Einen Totengesang ...
<Daaaaa - brichts aus schwarzer Nacht hervor
Als wie in geöffneter Hölle Tor,
Als ständen die Säulen des Erdballs in Flammen,
Als stürzte das ganze Weltall zusammen,
Und, aus der Wolken feuchtem Schoß
Der Regen in Strömen sich ringsum ergoß,
Als wollten des Wassers wilde Gewalten
Das Land zum unendlichen Meere gestalten.
Und, wie es so stürmt und brandet und kracht,
Da ... nee da... nee, ha'm wir heute gar nicht hier,
Eine Jungfrau tritt hinaus in die Nacht
Und ruft in die tosenden Winde hinaus:
"Na, is das'n Dreckwetter, dann bleib' ich zu Haus'"
[2] Weihnachten ist das
Fest des Schenkens - und da wir uns wahrscheinlich zu Weihnachten hier
nicht mehr sehen werden, bitte ich Sie, mir heute schon was zu schenken:
Sie wissen schon was, nicht? a) Aufmerksamkeit und b) Gehör. Und wenn
Sie mir schon nichts schenken wollen, dann bitte ich Sie, mir zumindest
Ihr Ohr zu leihen; Sie können sich das Ohr nachher vorn an der Kasse
wieder abholen.
Ja ja, nicht jeder, der die Bretter, die die Welt bedeuten, betritt, merkt, daß er auf dem Holzweg ist [bin
heute so glitschig]; nein nein, es hat keinen Sinn, den Brunnen zuzuschütten,
wenn das Kind verbrannt ist. Jeder sollte sein eigener Hirte sein, jeder
sollte sich hüten: und zwar davor, daß einem die anderen Leute
das Fell über das Ohr hauen, nicht? Ja ja, manchmal kommt man mit
einem blauen Auge davon, das man einem anderen geschlagen hat. Aber wer
den Schaden hat, spottet jeder Beschreibung. Liebe Spottfreunde, es
darf für uns kein Äußerstes geben, zu dem wir nicht entschlossen
wären, und keine Lauer, auf der wir nicht lägen. Und: wie
sagt schon Madame Plissée, die Vielfältige? Sie sagt: Lieber
'ne Stumme im Bett als eine Taube auf'm Dach!
Wir haben nun mit dem Anfang begonnen,
und so'n Anfang ist ja immer schrecklich - aber der Anfang war doch nicht
so schrecklich, denn unsere Sozialisten - unsere Solisten hier auf der
Bühne - das sind die elf Emigs (ja, acht sind leider krank): das ist
zum Beispiel unser Kapellmeister, er hat sich das schwerste Instrument
ausgesucht (ja hebense mal so'n ...) - das heißt doch Flügel
(dabei: Flügel ist leicht), und, zweitens, in der Mitte, als Mittelstürmer,
sitzt Valentin: er zupft die Gu-itarre, er zupft einen flotten Darm, kann
man sagen, und links außen sehen Sie Hans-Günter, das ist unser
Bassist, der spielt mal Baß, mal spielt er besser, aber heute hat
er versprochen, am besten zu spielen - das war das ... ja, was machen wir
nun?
Wenn sie sich jetzt alle ein Programm gekauft
hätten, brauchte ich ja nicht zu sagen, was jetzt kommt. Jetzt kommt
etwas ganz anderes, 's wär ja auch albern, wenn wir dasselbe nochmal
machen würden, es würd' Sie ja auch gar nicht interessieren,
deshalb erzähle ich's Ihnen auch:
ich wohnte bis gestern hier bei einem befreundeten
Ehepaar, die sind sogar miteinander verheiratet, und die bewohnen ein reizendes
Häuschen, und die waren ganz aus demselben, wie ich mit einem Mal
dort so auftauchte; und die haben auch einen schönen Garten, der umzingelt
das Häuschen, und im Garten steht eine Buche, wie sie im Buche steht,
und ich ließ sie rechts stehen und ... ging ins Häuschen, und
es grenzt bei ihnen ja nicht nur ein Zimmer an das andere, sondern schon
fast an Wahnsinn, wie viele Bilder die an den Wänden hängen haben,
um die Nägel zu zieren: ja, die haben einen echten Weinbrand - echten
Rembrandt (ich bin ganz verstreut heute), ja, und dann haben sie auch so
kleine Radierungen in den Geschäftsbüchern - Menschen
wie du und ich. Aber ... dafür haben sie 'nen großen Hund, so'n
Hund für sechs Personen, leider hat der eine Ungezogenheit, der leckt
immer so, darum heißt er auch Götz, und der hat - nehmen Sie
sich 'n bißchen zusammen, wir sind ja nicht zu unserem Vergnügen
hier - ein sehr langes Fell, also ich hab' so was von Fell noch nie gesehen,
der hat keine Flöhe, der hat Mäuse. Und wo er bellt, ist vorne,
und sie, also die Hausfrau, die hat Kleider, schöne, also zwei bis
acht, glaub' ich, sie trägt die Kleider, der Mann die Kosten,
und ... sie ist so 'ne richtige Hausfrau, sie hat ihre Augen überall,
auch an den Füßen, und dagegen nimmt sie Tabletten, ja, auch
gegen die abstehenden Ohren, reizend. Und sie ist in Behandlung bei zwei
Ärzten: beim älteren, wenn sie krank ist, und beim jüngeren,
wenn ihr was fehlt. Und der Mann muß abwaschen. Der trägt
nicht nur das Geschirr in die Küche, sondern es auch mit Würde,
und gestern abend, da sagte die Hausfrau dann zu mir, ob ich mit ihr nicht
'ne Portion Schach spielen wolle. Ich sagte: "Au ja, gnädige Frau,
das mache ich aber gerne, 'türlich, nur habe ich gar keine Ahnung
von Schach. Ich weiß gar nicht: muß man da reizen? Muß
ich da bedienen? Oder muß ich zwei drücken? Ich hätte
am liebsten mich gedrückt, aber ... ich wollte die Dame nicht kränken,
und dann kam sie mit so 'nem gemaserten Brett an und mit so kleinen Püppchen,
und sagt sie, stellen Sie doch die auf, ich stell bei mir die weißen,
ich sag', gnädige Frau, ich hab' so lange nicht mehr geschacht, ich
weiß gar nicht, wie das ist, nicht; ach, sagt sie, ich helfe Ihnen,
also, sehen Sie, hier in der ersten Linie kommen die Bauern - aah, sag
ich, und dahinter steht dann Familie Rehwinkel - so jagte ein Scherz
denselben, und dann sagte sie also: "Bitte machen Sie 'nen Zug." -
Ich sagte: "Nee, gnädige Frau, ich rauche gar nicht." - "Nein", sagte
sie, ich soll spielen und 'nen Zug machen. "So, bitte, wie Sie wollen,
gnädige Frau:
Tsch-tsch-tsch-tsch-tsch-tsch-tsch-tsch
..."
Aber sie konnte wohl keinen Zug vertragen;
seit gestern wohne ich nicht mehr da.
Ihnen gönne ich jetzt auch etwas,
und zwar etwas ganz Außerordentliches: Sie erleben jetzt ein Theaterstück,
aber keins, das wir auswendig gelernt haben - nein, mit Cousinen - mitnichten,
ein Stück aus'm Hut, aus'm Stegreif, gespielt hier, was uns gerade
einfällt, nicht so - und so, und zwar irgendso eine kleine Ehetragödie
spielen wir: der Mann [M], die Frau [F], der Hausfreund [HF]. Ich bin der
Hausfreund natürlich, nicht, und wir spielen jetzt so 'ne kleine Handlung,
haben wir uns auch so zurechtgebastelt, aber wir wollen es ganz schwer
machen. Wir wollen versuchen, jedes Wort in dem nun zu spielenden Stück
mit einem und demselben Buchstaben beginnen zu lassen, und Sie - Sie, meine
lieben Festgeso - also Damen - Damen und die, die Ihnen nachlaufen,
Sie - Sie nicht, nee - also Sie sollen uns irgendeinen Buchstaben
des deutschen Alphabets - 26 Möglichkeiten - da zurufen, und wir wollen
versuchen, diesen Buchstaben zu verarbeiten. Darf ich um irgendeinen Buchstaben
bitten? (Zuruf: Ypsilon). Ypsilon? Na, hatten wir gerade gestern ... wir
wollen uns ja nicht wiederholen. (Zurufe: ä, a, g[?]) Ja, ich geh
ja gleich. (Zuruf: g) G; ach g, g ist gut, g hatten wr noch nicht, g wie
Gustav, Moment, laßt mich mal nachdenken. G ist heute dran (Frauenstimme:
Ja-ah). Jetzt werden wir versuchen, ein Stück zu spielen, in dem jedes
Wort mit G beginnt.
G-o-n-g!
HF: Gut gegongt, Graf.
HF: Geliebte Gisela!
F: Geliebter Gregorius - günstige Gelegenheit!
HF: Gatte ging?
F: Geschäftsreise.
HF: Garmisch?
F: Gelsenkirchen.
HF: Gute Geldgegend.
F: Genau!
F: Getränk gefällig?
HF: Genialer Gedanke. Gerade Gewürzgurke gegessen.
F: Glas Grog?
HF: Gern. Gieß, gieß. Genug. Genug.
F: Gesundheit!
HF: Gleichfalls. Gutes Gesöff. Glebt.
F: Glücklich?
HF: Gebiß - ööh gewiß, gewiß.
F: Glut!
HF: Geht ganz gut, gell? Gib Gas!!!
M: Gemeines Gesindel!
HF: Giftiger Gartenzwerg geifert Galle.
M: Genug gesehen. Große Gemeinheit.
HF: Gespräch gänzlich geschäftlich! Gewürzgurken-Geplauder!
M: Gerede.
HF: Gerade Gedrucktes gelesen. Günthers Grass-Trommel.
M: Glaube gar nichts. Greife Gewehr.
HF: Gustav, Genosse!
F: Grausam grantiger Gemahl! Gnade! Güte! Göttergatte!
M: Gemetzel geplant! Geh, Ganove!
HF: Grüß Gott. (Schuß)
HF: Gesäß getroffen.
[...]
1.2. Aus "Haus Vaterland",
präsentiert von Chris Howland im Großen Heinz-Erhardt-Abend, 2.10.1999
Meine lieben Festgesoffen...Festgenossen,
ich - verzeihen Sie bitte, daß ich abermals durch mein Erscheinen
hierher gekommen bin und in dieser Hitze hier die Unverfrorenheit habe,
meinen scheuen Leib vor Sie hinzustellen, so daß Sie gezwungen sind,
ihn anzusehen. Aber - man sagt ja "Sehet, so werdet ihr ernten". Ja, nun
weiß ich zwar nicht, was Sie hier ernten wollen; Sie können
höchstens meinen Dank ernten dafür, daß ich Ihren Beifall
geerntet habe, also Wurst wider Wurst, wie der Lateiner sagt. Das
ist aber noch lange kein Grund, deshalb Trübsal oder ähnliche
Instrumente zu blasen, denn, wie sagt schon Fritz NIETZSCHE
in seinem Buch "Na also, sprach Zahnarzt Thustra"? Er spricht also: Freunde!
Zähne hoch, beißt'n Kopf zusammen!" Es hat keinen Sinn, die
Stirn zu fletschen oder die Zähne zu runzeln, meine lieben Damen und
die, die Ihnen nachlaufen. Ich möchte jetzt ... ich bin hier nochmal
herausgeeilt worden, ich soll Ihnen einige meiner kleinen Gedichte noch
vortragen, und zwar hören Sie zunächst etwas Klasschisses ...
Klaschiss ... etwas Altes, nicht, und zwar die berühmte Geschichte
vom Wilhelm Tell - das geht ungefähr so:
Der Landvogt Geßler sprach zum Tell:
"Du weißt, ich mache nicht viel Worte!
Hier, nimm einmal die Tüte schnell,
Sind Äpfel drin von bester Sorte!
Leg einen auf des Sohnes Haupt,
Versuch, ihn mit dem Pfeil zu spalten!
Gelingt es dir, sei's dir erlaubt,
Des Apfels Hälften zu behalten."
Und Leid umwölkte seine Stirne.
Der Knabe aber rief: "Komm Papa, schieß
Mir ruhig den Apfel von der Birne!"
Der in dem Apfel wohnte.
Erst war es still, dann brach ein Sturm
Des Jubels los, der den Schützen lohnte.
Man rief: "Ein Hoch dir, Willi Tell!
Jetzt geh'n wir einen trinken, gell?"
Nee, Moment, Moment - da gibt's noch 'ne andere Fassung, so 'ne westfälische Fassung:
Man rief: "Der Tell, der is ja toll!
Jetzt gehn wir einen trinken, woll?
Noch'n Gedicht: "Das Naßhorn"
Ein Naßhorn und ein Trockenhorn
spazierten durch die Wüste.
Da stolperte das Trockenhorn,
und's Naßhorn sagte: "Siehste!"
Noch'n Gedicht - aber ... etwas Lü...Lüscherü...lür...schüre...schürel...Lyrisches:
"Die Maus".
Es wollte eine kleine Maus,
Im Keller wohnhaft, hoch hinaus.
Und eines Nachts, auf leisen Hufen,
Erklomm sie achtundneunzig Stufen
Und landete mit Weh und Ach
Ganz oben, dicht unter dem Dach.
Dort wartete bereits auf sie
Die Katze namens Dorili.
Kaum daß das Mäuschen nicht mehr lebte,
Geschah's, daß eine Fledermaus
Ein paarmal um die Katze schwebte,
Zur Luke flog und dann hinaus.
Da faltete die Katz, die dreiste,
Die Pfoten und sprach: "Nein, wie süß!
Da fliegt die Maus, die ich verspeiste,
Als Engelein ins Paradies."
1.3. Kolumbus
(...) Bevor ich jetzt das Weite suche -
hoffentlich find ich's irgendwo -, hören Sie jetzt noch eine Sache
von dem Bus, der nach Amerika fuhr, Kolum - Kolum, hieß der Bus ...
Kolumbus. Himmel, Gesäß und Nähgarn, ja, also Kolumbus
hieß der. Sizilium, Sizilium:
Als Klum- ... als Kolumbus von seiner Amerikafahrt
Nach Spanien heimkam mit Gold und mit Bart,
Und hochgeehrt und umjubelt schritt
Durch die Hauptstadt des Landes, ich glaube Madrid,
Entdeckte er plötzlich da drüben rechts
Eine hübsche Person femininen Geschlechts.
Bei ihrem Anblick - was war schon dabei -
Entschlüpfte ihm was, und zwar das Wort Ei,
Jetzt sind die Forscher sich darüber klar,
Daß das das Ei des Kolumbus war.
2. Weitere Gedichte
2.1. Der Mathematiker
Es war sehr kalt, der Winter dräute,
da trat - und außerdem war's glatt -
Professor Wurzel aus dem Hause,
weil er was einzukaufen hatt'.
Kaum tat er seine ersten Schritte,
als ihn das Gleichgewicht verließ,
er rutschte aus und fiel und brach sich
die Beine und noch das und dies.
Jetzt liegt er nun, völlig gebrochen,
im Krankenhaus in Gips und spricht:
"Ich rechnete schon oft mit Brüchen,
mit solchen Brüchen aber nicht!"
2.2. Gedanken am Samstagabend
Im Wasser schwimmt der Gummischwamm,
denn heut ist Samstag, und ich bade.
Zwei Zähne fehlen mir am Kamm,
es duftet laut nach Haarpomade.
Das Waser tropft ins Abflußrohr,
der Stöpsel scheint nicht gut zu schließen.
Ich habe Seife in dem Ohr
und Hühneraugen an den Füßen.
Das Wasser ist schon stark getrübt,
und mühsam wälzen sich die Fluten.
Ich bin seit vorgestern verliebt,
da hilft kein Blasen und kein Tuten.
2.3. Warum die Zitronen sauer sind
Ich muß das wirklich mal betonen:
Ganz früher waren die Zitronen -
Ich weiß nur nicht genau mehr, wann dies
Gewesen ist, so süß wie Kandis,
Bis sie einst sprachen: "Wir Zitronen.
Wir wollen groß sein wie Melonen,
Auch finden wir das Gelb abscheulich,
Wir wollen rot sein oder bläulich.
Gott hörte oben die Beschwerden
Und sagte: "Daraus kann nichts werden.
Ihr müßt so bleiben. Ich bedauer."
Da wurden die Zitronen sauer.
2.4. Der Markensammler
Herr Heinrich Franz von Ohnegleichen
Der sammelte gern Postwertzeichen
Mit Zähnen und mit glatten Rändern
Aus Übersee und andern Ländern
Und klebte sie alle vereinigt,
Jedoch geordnet und gereinigt
Ins Album, wie man das so muß -
Nur fehlte die Mauritius.
Was hatte er nicht unternommen,
Um diese Marke zu bekommen -
Ja, selbst als er der Minne frönte
Mit Minna, die ihn arg verwöhnte,
Fragte er bei jedem Kuß:
"Hast du nicht die Mauritius?"
Bald brachte beiden Adebar
Ein Kind, das zwar ein Mädchen war,
Doch Heinrich faßte den Entschluß:
"Die nennen wir Mauritius!"
Gewiß, der Name paßt nicht recht
Für'n Kind von weiblichem Geschlecht,
Doch sei's: zu End sei der Verdruß.
Ich hab eine Mauritius.
Sehr früh schon ging das Mädchen gern
In Bars, damit es tanzen lern'
Und dadurch körperlich erstarke.
Na, sie wurde vielleicht ne Marke ...
2.5. Getränke
So lange es uns Menschen gibt,
Sind auch Getränke sehr beliebt.
Ich meine hier natürlich nur
Die alkoholischer Natur.
Den Wein, den hab ich übersprungen,
Der wurde schon so oft besungen.
Und auch der Sekt, man reicht ihn Gästen
Zum An- und Aufstoßen bei Festen.
Doch gibt es außerdem Getränke,
Denen ich besondre Liebe schenke.
Ich schätze fast seit der Geburt se:
Das ist der Klare oder Kurze.
2.6. Einige Vierzeiler
ABENDFRIEDEN
Die Oma murmelt leise vor sich her -
sie spricht mit Opa, doch den gibt's nicht mehr ...
Im Bettchen nebenan schläft süß das Kind;
die Mutter strickt, der Vater spinnt ...
DER FELS
Wenn dir ein Fels vom Herzen fällt,
so fällt er auf den Fuß dir prompt!
So ist es nun mal auf der Welt:
ein Kummer geht, ein Kummer kommt.
ZU KURZ
Kaum, daß auf diese Welt du kamst,
zur Schule gingst, die Gattin nahmst,
dir Kinder, Geld und Gut erwarbst -
schon liegst du unten, weil du starbst.
ZU SPÄT
Die alten Zähne wurden schlecht,
und man begann, sie auszureißen.
Die neuen kamen gerade recht,
mit ihnen dann ins Gras zu beißen.
ZELLEN
Das Leben kommt auf alle Fälle
aus einer Zelle.
Doch manchmal endet's auch, bei Strolchen,
in einer solchen.
DIE NASE
Wenngleich die Nas, ob spitz, ob platt,
zwei Flügel (Nasenflügel) hat,
so hält sie doch nicht viel vom FLIEGEN;
das LAUFEN scheint ihr mehr zu liegen.
DIE AUGEN
Die Augen sind nicht nur zum SEHEN,
sind auch zum SINGEN eingericht' -
wie soll man es denn sonst verstehen,
wenn man von AUGENLIEDERN spricht?
2.7. Vierzeiler ohne Überschrift
Wenn die OPERN dich umbrausen
mit Getön,
dann genieße auch die PAUSEN:
sie sind schön.
Ich denk nicht gern an jenen Kuß,
den Du mir gabst, Helene;
denn wenn ich an ihn denken muß,
dann werd' ich müd und gähne.
Es dürfte keine STEUERN geben,
kein ZAHNWEH, keine SCHÜTZENGRÄBEN,
dann wär auf dieser Welt das Leben
vielleicht noch schöner als wie eben.
Sie dienten mir gerne bei jedem Gedicht,
die Substantive und die Verben,
doch heute gehorchen sie mir leider nicht -
ich möcht' am liebsten sterben.
Ich kann's bis heute nicht verwinden,
deshalb erzähl ich's auch nicht gern:
den Stein der Weisen wollt ich finden
und fand nicht mal des Pudels Kern.
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*) Erhardts Biografie folgt dem vom
NDR3-Fernsehen am 19.2.99 ausgestrahlten Porträt "Wir sind ja nicht
zum Vergnügen hier"
und dem von Chris HOWLAND
moderierten "Großen Heinz-Erhardt-Abend" des NDR3 vom 2.10.99 (Transkriptionen
von mir).
Stand: 20.10.1999
Allen geneigten Leser/innen meiner Homepage
wünsche ich alles Gute und hoffe, daß sie - in unserer immer
humorloser
und
nüchterner werdenden Zeit
- an diesen Zeilen Freude hatten und einmal herzlich "ablachen" konnten.
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